Mi 1.6.2016
Heute muss ich meine ganzen Sachen so ordnen, dass wieder alles seinen angestammten Platz bekommt. Das dauert und zu allem Überfluss stand Flecha doch die zwei Wochen im Regen, sodass im rechten Koffer das Wasser steht und erst mal getrocknet werden muss. Immerhin habe ich keinen Reifen mehr zu verstauen. Nach mehr als zwei Wochen verlasse ich nun Quito in Richtung Norden nach Otavala. Die Straße ist recht kurvig und gut ausgebaut. Nach rund 40km wird sogar die Landschaft ansprechend. Ich erkunde die recht schöne Stadt mit dem Motorrad und parke direkt vor einem Café gegenüber dem berühmten Kunstmarkt.
Der kleinen Tochter des Cafés bringe ich ein paar Luftballons mit und spiele mit ihr. Schön, in so funkelnde Augen zu schauen. Der Regen holt mich schneller ein als gehofft. So ziehe ich meine Regenkombi an und fahre weiter nach Iberra, wo es sofort wesentlich wärmer und sonnig ist. Der neue Reifen ist doch spürbar besser und gibt mir ein sicheres Gefühl. Ich fahre noch eine Runde um den See Yahuarcocha (übersetzt: See des roten Blutes, da sich hier die Inkas eine Schlacht lieferten, in der viel Blut in den See floss), dann mache ich für eine Nacht Halt in der Finca Sommerwind (www.finca-sommerwind.info) bei Hans und Patricia und baue mein Zelt mal wieder auf.

Lake Yahuarcocha Finca Sommerwind Ibarra
Ein idyllisches Plätzchen, an dem ich die Seele baumeln lassen kann, das Vogelgezwitscher genieße und bis in die Abenddämmerung lese. Ich verbrauche meine letzten Vorräte und gehe dann bald in den Schlafsack.
Do 2.6.2016
Es ist 6 Uhr, als mich erst leichte Tropfen wecken, bevor diese übergehen in einen lang andauernden heftigen Regen. Meine Hoffnung, das Zelt trocken zu verpacken gebe ich recht schnelle auf. Erst gegen 9 Uhr wird es weniger und das Zelt ist gefühlt doppelt so schwer wie zuvor. Erst gegen 11 Uhr verlasse ich die Finka und zu meiner Überraschung wird die Straße etwas später sogar trocken. So macht die Fahrt Spaß und nochmal vollgetankt erreiche ich gegen 12.30 Uhr die Grenze zu Kolumbien. Kein Grenzer, kein Schlagbaum, ich könnte einfach durchfahren. Mache ich aber nicht, sondern halte vor dem Kolumbien-Schild an.

border to Colombia
An der Migración sagt man mir, dass ich zunächst auf der ecuadorischen Seite meinen Ausreisestempel holen muss. Also laufe ich die 200m wieder zurück, muss noch einen Zettel ausfüllen und erhalte den Stempel. Dann muss die Ausreise für das Motorrad ja auch hier sein. Ich frage mich durch und lande an einem Häuschen, an dem nur wenige anstehen. Diese wollen aber Ware nach Ecuador einführen, wofür Zoll zu bezahlen ist. Und das dauert eine Ewigkeit. Ich zweifle erst, ob ich richtig bin, bekomme aber von der netten Dame die Antwort, dass ich gleich dran bin (nach 15 Minuten). Das Ganze dauert eine Minute, dann bin ich meinen Zettel los und halte nur noch meinen Pass in den Händen. Nun wieder zurück zur Migración Colombia. Ohne einen Zettel bekomme ich meinen Einreisestempel. Zur Aduana für Flecha muss ich um die Ecke. Nichts ist ausgeschildert, aber man öffnet mir dann eine Tür. Das erste Mal kommen meine Kopien zum Einsatz, denn Reisepass und Internationaler Zulassungsschein müssen in Kopie vorliegen. Außerdem noch die Seite des Reisepasses mit dem Einreisestempel. Ganz toll. Im Copy-Shop gegenüber erhalte ich für 5ct die gewünschte Kopie, bin nach 3 Minuten zurück. Jedoch zu spät, denn der Herr ist nun zum Mittagessen. Ich übe mich in Geduld. Nach erneut 15 Minuten nimmt er sich meiner an und wundert sich als erstes, dass der Zulassungsschein keine Nummer trägt. Also wird das Ablaufdatum als Nummer eingetragen. Zum Schluss muss noch die Fahrgestellnummer mittels Graphit, das aufgetragen wird, auf ein Klebeband gebracht werden, ähnlich der Fingerabdrücke bei der Spurensicherung. Da jedoch die Nummer so ungünstig platziert ist, gibt der Beamte nach dem 4. Versuch auf und dokumentiert handschriftlich, dass es sich bei der Einfuhr um tatsächlich dieses Motorrad handelt. Er macht mich noch darauf aufmerksam, dass ich eine Versicherung(SOAT) benötige, die hier Pflicht ist, dann erhalte ich das ersehnte Dokument in den Händen. 30 Meter weiter lasse ich für $17,-dann noch die Versicherung ausstellen und nach über zwei Stunden kann ich endlich die Grenze passieren. Zur Kirche Las Lajas Sanctuary ist es nicht mehr weit, jedoch schon verdächtig duster. Kurz nach Ankunft fängt es an zu regnen.
So mache ich nur die obligatorischen Fotos und bin – erneut in der Regenkombi – schnell auf dem Weg nach Pasto. Die Landschaft ist schon deutlich anders und wunderschön. Immer wieder kommt sogar die Sonne kurz hervor und liefert beeindruckende Bilder. Hatte mich der Grenzbeamte bereits gewarnt, bewahrheite sich schon bald die Befürchtung, dass auch auf dieser Strecke schon Blockaden der Farmer sind, die für bessere Verhältnisse streiken. Ich fahre an dem Stau links vorbei und bin erstaunt, dass am Anfang des Staus gar keine Blockade ist. Erst beim nächsten Stau zeigen sich die entrüsteten Farmer. Allerdings habe ich Glück, denn nach 5 Minuten löst sich der heutige Protest auf und ich kann auf einer leeren Straße genüsslich weiterfahren. Polizei und Militär sind überall präsent, wobei mich Letzteres immer wieder mit Daumen nach oben sehr freundlich grüßen und dabei Lächeln. Ich fühle mich willkommen. Die Straße ist traumhaft zu fahren und Hinweisschilder mit „no más estellas en la vía“ (keine weiteren Sterne an der Straße; gemeint sind Kreuze) sind zurecht aufgestellt, verleitet sie doch zum schnelleren Fahren. Es ist kurz nach halb sechs, als ich den Plaza de Nariño in Pasto erreiche und mir kolumbianisches Geld aus dem Automaten hole. Während ich am Straßenrand nun nach einer Bleibe suche, werde ich auf Englisch angesprochen, ob man mir weiterhelfen kann und was ich suche. Auf meine Antwort hin macht sich Dario, wie sich später herausstellt, auf den Weg und meint, er sei in 3 Minuten wieder zurück. Es sieht wohl so aus, dass die preiswerten Unterkünfte aufgrund des Streiks ausgebucht seien. Deshalb fragt er mich, ob es mir etwas ausmache, sein Angebot anzunehmen bei ihm zu übernachten. Unter Bikern hilft man sich doch, denn er fährt genau die gleiche Maschine wie ich. Nach kurzem Zögern willige ich ein und Dario zeigt mir, wo wir uns treffen. Er holt noch seine Frau ab und kommt dann sofort dorthin. Was ich dann zu sehen bekomme verschlägt mir die Sprache. Ein Haus mit 250m2 und einer Garage mit Platz für 4 Autos und 2 Motorräder. In der Zwischenzeit hat Alba, die gute Seele des Hauses, das Gästezimmer hergerichtet. Nach dem Duschen fahren wir – leider ohne seine sehr sympathische Frau Doris – zum Essen in ein Restaurant eines guten Freundes. Nicht einmal die Möglichkeit, mich für die Unterkunft zu revanchieren lässt er mir, sondern lädt mich als seinen Gast auch zum Essen ein. Abschließend bekomme ich noch eine kleine Stadtrundfahrt (u.a. zum Plaza del Carnaval, auf dem vom 2.-7.Januar der größte Karneval des Landes mit bis zu 50.000 Menschen gefeiert wird).
Fr 3.6.2016
Nach dem Aufstehen kredenzt mir Alba ein Frühstück ganz nach meinen Wünschen. Da Dario es nicht schafft, bis um 10 Uhr wieder zurück von einem Meeting zu sein, beschließe ich, bis zum Mittag zu bleiben und buche heute nun final meinen Flug zurück nach Deutschland für den 3. Juli mit Ankunft in München an meinem Geburtstag. Zusammen mit Doris essen wir noch zu Mittag, dann bucht mir Dario noch ein Zimmer in einem Hotel bei einem Freund in Popoyán, bevor ich mich leider verabschieden muss.

Dario Doris Apollo in Pasto
Zuvor hat er noch recherchiert, dass es heute keine Blockaden auf meinem Weg gibt. Sehr gut. Die meiste Fahrt ist es trocken und herrlich zu fahren. Die allgegenwärtige Militärpräsenz ist für mich noch gewöhnungsbedürftig. Andererseits fühle ich mich durchaus sicher. Immer wieder komme ich an Tankstellen vorbei, die ein Schild „kein Benzin“ aufgestellt haben. Und diejenigen, die noch welches haben, verkaufen es bis zu 30% teurer als gewöhnlich. Ab und zu kommt eine Mautstation, an der ich auf einer eigens für Zweiräder bestimmten Spur endlich wieder kostenlos vorbeifahren darf. Es geht hinunter bis auf 600m, wo es auf einmal unglaubliche 35°C hat und ich jetzt die Regenkombi ausziehe.
Erst auf die letzten 20km muss sie nochmal ran. Inzwischen habe ich ja schon Übung darin, sie anzuziehen. Das Hotel Toledo verfügt leider nicht über einen absperrbaren Parkplatz, jedoch soll laut Darios Aussage der kleine Vorhof sicher genug sein. Er parkt dort auch immer, wenn er hier ist. Es wird langsam dunkel, als ich mich auf Stadterkundung aufmache. Die Stadt wird aufgrund der vielen weiß angestrichenen Kolonialbauten als „weiße Stadt“ bezeichnet und hat eine nette Altstadt, die ich allerdings schnell durchlaufen habe. Es fällt auf, dass es kaum Taxen gibt, dafür jede Menge Mopeds, Roller und kleine Motorräder. Plötzlich spricht mich ein Mann an, und fragt mich, woher ich komme, denn sein Sohn sammelt Münzen und Scheine aus aller Welt. Damit kann ich ihm leider nicht dienen, aber wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns sehr nett. Ary Martin ist bei der Kriminalpolizei und zeigt mir auch gleich, in welchen Straßen ich mich sicher bewegen kann und wo ich besser nicht hin sollte. Kolumbien ist wesentlich preiswerter (für mich nach Bolivien das zweitgünstigste Land auf meiner Reise) und der Durchschnittsverdienst wohl wesentlich geringer als in den anderen Ländern, sodass ich Ary gerne zu einem Abendessen (Menü für umgerechnet 2€) einlade. Sobald ich zurück bin, werde ich seinem Sohn ein paar Münzen aus DM-Zeiten schicken. Er begleite mich noch zum Hotel, da seine Dienststelle direkt um die Ecke liegt.
Sa 4.6.2016
Im Hotel gibt es kein Frühstück. Also laufe ich ins Zentrum. Zuvor kaufe ich mir noch einen Adapter für den Stromstecker. Dann lerne ich, dass das „Ensalada fruta“ gleichbedeutend ist mit Eis an Früchten, süßer Créme, Schoko- und Kokosraspel. Lecker, jedoch nicht ganz, was ich mir als Frühstück vorgestellt hatte. Das Museo Nacional Guillermo Valencia hat von 12 – 14 Uhr Mittagspause. Diese überbrücke ich mit dem bis dahin besten Kaffee auf meiner Reise. Die Führung durch das Mitte des 18. Jahrhundert erbaute Haus im Kolonialstiel ist durchaus interessant und zeigt den bis heute großen Einfluss der Familie Valencia.
Den Nachmittag verbringe ich lesend am Plaza Caldas, bevor ich mir für 2€ noch die Haare schneiden lasse. Dann geht es zur Blogpflege ins nahegelegene Restaurant La Cosecha.
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22. Teil
So 5.6.2016
Um 10 Uhr starte ich in das 333km entfernte Salento, um dort Alex ein letztes Mal zu treffen. Noch habe ich ausreichend Sprit, wenngleich mir all die geschlossenen Tankstellen so langsam Sorge bereiten. Ich bin noch nicht am Stadtrand angekommen, da halten mich zwei PKW Fahrer an der Ampel an und deuten mir an, dass diese Richtung wohl keine gute Idee sei. Der eine versichert sich nochmal, dann bekomme ich die Bestätigung: die Straße nach Cali ist auch heute gesperrt und die Aussagen, ob die Streikenden ausländische Fahrzeuge durchlassen, weichen voneinander ab. Für San Augustín bekomme ich grünes Licht. Alex werde ich somit nicht mehr treffen. Schon bald entpuppt sich die Straße als wunderschön und schon jetzt kann ich die Meinung vieler bestätigen, dass Kolumbien sicherlich zu den vielfältigsten und schönsten Ländern zählt. Gleichzeitig sind die Menschen hier unheimlich freundlich, offen, hilfsbereit und fröhlich. Ich fühle mich hier richtig wohl, obgleich mir ab und zu doch noch die Guerilla durch den Kopf schießt. Wahrscheinlich völlig unbegründet. In Coconuco kommt der erste Schotter mit heftigen Schlaglöchern. Hoffentlich geht das jetzt nicht so weiter. Glück gehabt. Nach 5km geht es asphaltiert weiter. Etwas später bleibt mir der Schotter dann doch erhalten. Aber in einem gut zu fahrenden Zustand durch herrliche Landschaft.
Beim Ablassen der Luft aus meinen Reifen kommt Julian vorbei und fragt mich sofort, ob er mir helfen kann, sieht dann aber gleich, was ich mache. Fortan fahren wir zusammen weiter. Mit seiner 110ccm Honda ist er zumeist sogar schneller als ich. Zwischendurch treffen wir auf einen Mopedfahrer mit Plattfuß. Mit meinem Kompressor füllen wir den Reifen; seinen Sozius nimmt Julian bei sich mit und setzen ihn vor seiner Türe ab. In Iznos kommen wir tatsächlich an einer Tankstelle vorbei, von der gerade ein Tanklastzug losfährt. Es gab Nachschub und gefühlte 100 Mopeds stehen Schlange. Das würde ewig dauern zumal die Zapfsäule noch nicht so richtig will. Noch habe ich für 150km Sprit. Da Julian diese Strecke regelmäßig fährt – er arbeitet in Pitalito beim Militär, wohnt aber in Popayán – kennt er so ziemlich jedes Haus. Und so fahren wir zu einem kleinen Haus entlang der Straße, wo ich 20 Liter aus einem Kanister – zugegeben zu überhöhtem Preis – bekomme.
Flecha ist wieder randvoll und wir können uns zum Mittagessen begeben. Anschließend besuchen wir den Salto de Mortiño, der über 100m in die Tiefe stürzt.
Am Abzweig nach San Augustín verabschieden wir uns und ich fahre die 5km hinauf in den Ort, der ansonsten nicht wirklich spektakulär ist, sondern mehr durch seine rätselhaften Ausgrabungen bekannt ist. Im Hotel Valladollyd bekomme ich ein schönes Cabaña für $35.000 (€ 10,-) mit Frühstück. Und ich habe sogar die Möglichkeit, mein Zelt zum Trocknen aufzubauen. Sehr gut.
Mo 6.6.2016
Nur kurz schafft es die Sonne durch die dicke Wolkenschicht, aber es hat nicht geregnet. Und so kann ich mein Zelt ordentlich zusammenpacken. In Kolumbien werde ich es wohl nicht mehr benötigen. Der nur 2km entfernte Park ist mein heutiges Ziel. Da kein Minibus vorbeikommt, mache ich mich zu Fuß auf den Weg. Es dauert nicht lange, als ein Wagen neben mir anhält und der Fahrer mich fragt, ob er mich zum Park mitnehme solle. Das ist ja klasse, zumal es dann doch ganz schön bergauf geht. So nette Menschen! An der Kasse muss ich inzwischen $20.000 anstatt $10.000 Eintritt bezahlen. Dafür gilt dieser auch für die Anlagen in Iznos. Die Ausgrabungen werfen bis heute viele Fragen auf, die kein Wissenschaftler so richtig beantworten kann. Es sind Grabsteine, -platten und –funde ebenso zu sehen wir Figuren, die ursprünglich im Ort verteilt standen. Der Spaziergang durch diesen Park ist herrlich. Durch den immer wieder auftretenden regen duftet die Natur wunderbar und die Vögel zwitschern.
Zurück zum Hotel nehme ich den Minibus und lasse mich erschöpft in eine der Hängematten fallen. Siesta! Nach Einbruch der Dunkelheit laufe ich zum nahegelegenen Italiener und lerne dort Philip kennen, einen Aussteiger aus Basel, der seit 10 Jahren hier lebt und eine Finka mit Kaffeeplantagen besitzt, von der er gut leben kann. Bis tief in die Nacht unterhalten wir uns und leeren 2 Flaschen Rotwein.
Di 7.6.2016
Der zunächst verhangene Himmel reißt auf und macht der Sonne Platz. Ich möchte noch einen Abstecher bei Philip machen, dessen Finka Ausgangspunkt zum Mirador La Chaquira ist, von dem man einen herrlichen Blick in das Tal des Río Magdalena hat. Zuvor fordert mich jedoch noch eine Wasserfurt, die bei näherem Betrachten dann problemlos zu durchfahren war.
Noch ein leckerer Cappuccino, dann verabschiede ich mich. Schon beginnt es an zu Tröpfeln. Weiter vorne schaut es schon wieder heller aus. So bleibt die Kombi erst einmal aus und ich kann den Wind bei dieser herrlichen Straße genießen. Kurz hinter Pitalito fängt es an zu Gießen. Ich drehe schnell um und ziehe meine Regenkombi an. Bis ich wieder zurück an der Stelle bin, ist die Straße zwar patschnass, aber die Sonne scheint! Enorm, wie schnell sich das Wetter hier ändert. Und bei 30°C ziehe ich die Kombi auch bald wieder aus. Kurz vor Garzón erwischt es mich erneut und ich werde total nass. Es dauert über eine Stunde, bis ich halbwegs wieder trocken bin. In Richtung La Plata wird es wieder dunkler.
Bis auf die vereinzelten Schlaglöcher, die meine Konzentration fordern, ist es eine kurven- und abwechslungsreiche Strecke. In La Plata mache ich bei einem leckeren Eisbecher – endlich mal wieder richtig gutes Eis! – eine Pause.
Erneut regnet es in Strömen und bis Tierradentro lasse ich die Kombi an. Die letzten 40km sind gut zu fahrender Schotter. Im „El Refugio“ quartiere ich mich ein ($48.000 inkl. Frühstück und Schwimmbad) und gehe anschließend in das einzige Restaurant am Platze.
Mi 8.6.2016
Bereits seit gestern meldet sich mein linker Meniskus auf sehr unangenehme, um nicht zu sagen schmerzhafte Weise, sodass ich heute beschließe, keine Wanderung durch den Park hier zu machen sondern mich gleich auf den Weg nach Salento zu machen. Während ich frühstücke, regnet es auch nochmal, was ein Pferd dazu animiert, mir Gesellschaft zu leisten.
Der Regen hat die Straße in eine Schlammpiste verwandelt und Flecha schaut in kürzester Zeit wie ein Schwein aus. Da die Straße zwischen Popayán und Cali immer noch blockiert ist, will ich die N35 nehmen. Zur Sicherheit tanke ich nach 20km nochmal und erfahre hierbei, dass diese Straße zum Einen aufgrund von Steinschlag für mich mit diesem großen Schiff nicht passirbar sein, und sie zum Anderen dort endet wo die Blockaden stattfinden.

way from Tierradentro to La Plata
Es bleibt mir nichts anders übrig: ich muss umdrehen und über La Plata nach Nieva. Keine Sekunde bereue ich diesen Entschluss, denn die Sonne scheint, es ist angenehm warm und die Straße wie gemacht für Motorradfahrer. In Nieva mache ich bei 39°C (!) Mittagspause.
Bis Ibague geht es – man hatte mich schon vorgewarnt – zumeist geradeaus. Das hat den Vorteil, dass ich zügig voran komme. Und da die großen Bäume ihre Äste weit über die Straße ragen lassen, kommt es mehr einer Allee gleich. Interessant, dass auch im Juni die Blätter von den Bäumen fallen – die Jahreszeiten sind eben hier anders, und es gibt nur zwei. Die Passstraße von Ibague nach Armenia ist sehr gut ausgebaut, hat jedoch enorm viel LKW Verkehr. Immer weiter nach oben geht es in den Nebel hinein und es sind auf einmal frische 15°C. Welch Kontrast. Erinnerungen an eine Kombination aus alter Brennerstraße, Jaufenpass und Sellaronde werden wach. Nach fast 500km komme ich in Salento an und werde im Hotel Posada del Café enttäuscht: kein Zimmer frei. So lande ich im Hostal Rancho Alegre, das zwar einen Parkplatz hat, jedoch Zimmer ohne Fenster und kein Internet. Außerdem riecht es stark nach der frisch aufgetragenen Farbe. Beim Italiener esse ich seit langem mal wieder eine Pizza, bevor ich in der benachbarten Cocktailbar einen der besten „Alexander“ trinke, der mich stark an eine Bar in Freiburg erinnert.
Do 9.6.2016
Nach einem Frühstück, das es auch nicht im Hostel gab, beschließe ich, die Unterkunft zu wechseln und ins Hotel La Terraza umzuziehen. Zuvor verhandle ich aufgrund der widrigen Umstände immerhin noch einen Nachlass von 20%. Gemütlich schlendere ich durch die Salentos Gassen, trinke noch einen frisch gepressten O-Saft
und fahre um 11.30 Uhr mit einem der „berühmten“ Willi-Jeeps ins 12km entfernte Valle Cocora. Hätte ich gewusst, dass die Straße in einwandfreiem Zustand ist, hätte ich problemlos auch Flecha nehmen können. Egal, abenteuerlich ist es mit 11 Personen in diesem Gefährt zu sitzen bzw. zu stehen. Naiver Weise dachte ich mehr an eine kleine Besichtigung dieses Tals. Als ich am Eingang auf Gabriel, einen Turi-Guide, mit zwei Frauen treffen, fordert dieser mich auf, mich der Gruppe doch anzuschließen. So laufen wir gemeinsam 5 Stunden einen Rundweg von 13km und hunderten von Höhenmetern. Immer wieder zeigt sich die Sonne und taucht die Landschaft in ein bezauberndes Licht. Die riesigen Palmen sehen aus wie überdimensionale Streichhölzer in der Landschaft. Auch wenn es schmerzhaft war – das Knie will noch nicht so richtig – hat es sich allemal gelohnt.
Ohne Gabriel hätte ich weder die Tour gemacht, noch die schönen Plätze gefunden. Zurück in Salento trinken wir noch gemeinsam einen Kaffee, bevor wir uns verabschieden.
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23. Teil
Fr 10.6.2016
Nach dem leckeren Frühstück funktioniert endlich das Internet und ich mache mich dran, meinen Blog zu aktualisieren. Ich versäume auch kaum etwas, denn es regnet immer wieder in Strömen. Am Nachmittag laufe ich in den Ort und werde von Juan angesprochen, ich solle doch um 20 Uhr ins „Los Amigos“ kommen. Nach einem Kaffee und später einer leckeren Forelle bin ich gegen acht dort und lerne zusammen mit einem Pärchen aus Neuseeland das Traditionsspiel „Tejo“ kennen. Es erinnert ein wenig an Boule, nur dass das Ziel, ein Eisenring mit einem Durchmesser von 15cm, fest in der Mitte eines „Tors“ liegt. Dieses Tor misst eine Fläche von ca. 1,20 x 1,20m und hat eine Schräge von etwa 30°. Auf den Eisenring werden zwei dreieckige Schwarzpulvertaschen gelegt. Gelingt es einem Spieler/Team, mittels des „Tejo“, einem kegelstumpfförmigen Steines oder Eisenstücks, aus einer Distanz von 19,5m eines dieser Täschchen zum explodieren zu bringen, gewinnt er automatisch sofort. Ansonsten gewinnt der Spieler, der diesem Ring am Nächsten kommt. Schnell merke ich, dass es schwieriger ist als gedacht. Nach einer Stunde haben wir genug davon und gehen.

Tejo game in Salento
Sa 11.6.2016
Nach dem Frühstück gehe ich zuerst zum Mirador, der einen herrlichen Blick ins Valle Cocora freigibt. Neben vielen Souvenirshops gibt es auch einen netten, kleinen Antiquitätenladen.
Ich gehe weiter zum nächsten Aussichtspunkt mit Blick über das Städtchen auf der einen Seite und das Tal auf der anderen und genieße die Ruhe dort, um zu lesen.
Im Dorf sind, wie jeden Samstag, Zelte und Stände aufgebaut. Heute jedoch spielt Kolumbien gegen Costa Rica. Trotz der Niederlage (2:3) eine tolle Stimmung. Zuvor hatten die USA gegen Paraguay bereits 1:0 gewonnen.
So 12.6.2016
Ich checke aus und bin überrascht, dass das Waschen meiner Sachen zum Service des Hauses gehört. Toll! Dafür gibt es dann gerne mehr Trinkgeld. Meinen ursprünglichen Plan, heute bis Medellín zu fahren, habe ich beim Frühstück über den Haufen geworfen. Stattdessen nehme ich Kurs auf die Hacienca Venecia nahe Manizales, um dort morgen an einer Führung durch die Kaffeeplantagen teilzunehmen. Irgendwie spielt mir mein Navi einen Streich, denn plötzlich bin ich auf der N25 von Certis nach Rio de Janeiro. Zunächst noch recht eintönig, entwickelt sie sich nach 20km zu einem Paradies für Bikerherzen. Schön geschwungene Kurven, vorbei an Bananen- und Kaffeeplantagen, führen hinauf nach Risaralda, von wo aus man einen herrlichen Blick ins Tal hat. Auf der anderen Seite geht es genau so schön wieder bergab. Ich bin zu schnell unterwegs und verpasse gleich zwei Mal den Abzweig zur Hacienda, der jedoch so schmal und schwer zu finden ist, dass es mich nicht wundert. Ist der Preis im Dormitorio im 8 Gehminuten entfernten Nebenhaus der Hacienda noch preiswert, so langt der Besitzer bei den Zimmern im Haupthaus doch kräftig zu. Für $110.000 (€33,-) mit Gemeinschaftsbad ist für das ansonsten einfache Zimmer recht teuer. Und leider ist auch der Internetzugang, wegen dessen ich das Haupthaus wähle, nicht schnell genug, um das Spiel Deutschland gegen Ukraine auch mit Bild zu übertragen. So bekomme ich per Radio das 2:0 der Deutschen mit. Immerhin gibt es hier sehr guten Kaffee kostenlos. Den Nachmittag verbringe ich lesend in der Hängematte. Wir sind ein bunt gemischter Haufen aus Neuseeland (Jason), England (Rhianne mit algerischen und Paul mit thailändischen Wurzeln), Deutschland (Anika) und Kolumbien. Erst essen wir gemeinsam, später spielen wir Personenraten bis Mitternacht (man muss den Namen der Person erraten, der auf einem Sticker an seiner Stirn klebt). Sehr lustig.
Mo 13.6.2016
Nach einem recht dürftigen Frühstück bekommen wir für $40.000 (€12,-) eine Einführung in die Geschichte des Kaffees sowie dessen Herstellungsverfahren. Fünf Länder teilen sich 70% des Marktes: Vietnam (30%), Brasilien (20%), Indonesien (8%), Kolumbien (8%), Äthiopien (4%). Die Zahlen weichen vom Deutschen Kaffeereport ein wenig ab, die Tendenz stimmt aber.
Ein Spaziergang durch das 160ha große Areal führt uns zum Qualitätsprüfstand sowie zur Fermentierung. Am Ende bekommen wir noch gezeigt, wie „Die Nase“ trainiert wird, um die verschiedenen Röstungen der unterschiedlichen Bohnen einzuteilen bzw. zu klassifizieren. Viele spannende Informationen in diesen etwas mehr als drei Stunden. Jetzt haben wir uns das Ajiaco, eine Suppe aus Huhn und Kartoffeln, redlich verdient. Um 14 Uhr fahre ich nun weiter nach Medellín. Auch diese Fahrt ist unheimlich schön. Nur die vielen Baustellen, an denen ich zumeist mehr als 5 Minuten in brütender Hitze stehenbleiben muss, nerven gewaltig.
So komme ich erst gegen halb sechs an und muss mich noch durch den Feierabendverkehr quälen. Bevor ich im Hostel Casa Blanca ankomme. Dort treffe ich auf Chris, halb Englisch halb Deutsch, der seit neun Monaten auf einer KLR 650 durch Südamerika reist. Gemeinsam verbringen wir einen netten Abend bei Salat und Wein.
Di 14.6.2016
Chris hat kaum ein Auge in seinem Dormitorio zugetan, während ich in meinem kleinen Zimmer von 1,80m x 2,50m mehr schlecht als recht geschlafen habe. Während Chris sich im Nachbarhostel einquartiert, rede ich mit dem Manager und erhalte für die nächsten zwei Nächte ein 4-Bett Zimmer für mich alleine. Das versöhnt mich ein wenig, während ich trotzdem dieses Hostel nicht wirklich empfehlen kann. Denn auch sein Frühstück mus man sich selber machen. Mit Chris verabrede ich mich um 14.24 Uhr zur Free-Walking Tour. Zuvor gehe ich noch ins Museo Antioquia, in dem die Werke von Botéro ausgestellt sind.
Die Bilder und Skulpturen sind nicht unbedingt mein Geschmack, beweisen aber, dass er sein Handwerk verstanden hat und im Gegensatz zur Meinung vieler seine Figuren nicht fett, sondern voluminös sind. Erst durch die verzerrten Proportionen erscheinen sie dick. In den beiden weiteren Etagen sind noch Werke diverser Künstler ausgestellt, die mir teilweise sehr gut gefallen. Nach zwei Empanadas mache ich mich auf zum vereinbarten Treffpunkt an der Metrostation Alpujarra. Mit einem Ticket bezahlt man eine Fahrt, egal wie weit (Preis: $2.150 €-,65). Erst jetzt wird mir bewusst, dass mich mein Knie heute in Ruhe lässt und ich schmerzfrei bin. Toll! Als ich dort ankomme, eröffnet mir Chris, dass wir uns online hätten anmelden müssen, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist. Wir stehen aber als Oberste auf der Warteliste. Und so dürfen wir dann doch mit auf die 4-stündige Stadtführung, auf der uns Camilo, unser Guide, auf eine lockere und spannende Art sein geballtes Wissen mit uns teilt. Es ist enorm, wie sich die Stadt in den letzten 20 Jahren von der einst gefährlichsten Stadt der Welt in einen unheimlich sauberen und freundlichen Ort entwickelt hat, an dem man sich wohlfühlen kann. Natürlich gibt es auch heute noch Viertel, in die man sich nicht alleine wagen sollte. Besonders stolz sind die Paísas, so werden die Bewohner in und um Medellín genannt, auf ihre Metro, die die wahrscheinlich sauberste Metro der Welt ist. Kein Graffiti, keine verkratzten Scheiben oder Sitze, kein Müll auf dem Boden oder auf den Bahnsteigen. Jeder achtet darauf und macht die Besucher auch darauf aufmerksam, dass das Essen darin verboten ist. Faszinierend. Der ehemals „Plaza de Crimes“ genannte Platz ist heute der „Plaza de la Luz“ oder auch Platz der Hoffnung genannt, an dem unzählige Säulen stehen, die am Abend mit Lauflichtern versehen sind und problemlos von Touristen überquert werden kann.

Plaza de la Luz Medellín
Im ehemaligen Justizgebäude findet man heute die vielen Markengeschäfte und im Patio ein Café, das den Preis des Kaffees von der Freundlichkeit des Kunden abhängig macht. Eine nette Idee!

Cafeconamor
Am Plaza de Bolívar steht die größte Kirche der Welt – die aus Backsteinen erbaut wurde.
Zum Abschluss führt uns Camilo noch auf den Platz, auf den man auch nicht alleine gehen sollte. Hier ist 2005 ein Rucksack unter einer Botéro Figur explodiert und hat einige Menschen in den Tod gerissen. Anstatt die Figur zu entsorgen, hat der Künstler persönlich dafür gesorgt, dass diese Figur als Mahnmal erhalten bleibt und der Opfer gedenkt. Mit einigen aus der Gruppe treffe ich mich noch zu einem lustigen Abend in der Salsabar La Papayera, in der dienstags immer Live-Musik spielt.
Mi 15.6.2016
Irgendwie scheinen die Moskitos hier doch anders zu sein als die Mücken in Deutschland. Zum einen dauert es wesentlich länger, bis sie abgeheilt sind, zu anderen jucken sie um einiges stärker. Un dann stecjen die Biester auch noch immer an die gleichen Stellen: Ellenbogen, Oberarme, Fußknöchel und Waden. Irgendwie ganz schön lästig. Gegen 11.30 Uhr fahre ich mit der Metro zur Station Acevedo von wo aus man mit der Seilbahn über die Favelas, die Armutsviertel Medellíns, hinweg den Berg hinauf nach San Domingo fahren kann.
Erst dort ist dann ein neues Ticket nötig, um zum Erholungsgebiet Arví (einfache Fahrt $4.850; €1,40). Anders, als gedacht, hat man hier keinen Blick über die Stadt, jedoch vielfältige Möglichkeiten, mehr über Flora und Fauna zu erfahren. Ich genieße die Stille und einen 2-stündigen Spaziergang durch den Wald, bevor ich wieder zurück in den Großstadtdschungel fahre. Erneut muss mal wieder der Regenschirm seinen Dienst tun, denn es regent mal wieder – so wie jeden Tag. Den letzten Abend verbringe ich mit Chris in einem netten Restaurant am Parque Llerras, an dem man die unterschiedlichsten Menschen antrifft: Reiche, Arme, Bettler, Straßenverkäufer, Prostituierte, Touristen, Einheimische, Schwule und Lesben, Musikanten…
Do 16.6.2016
Heute in zwei Wochen wird Flecha bereits für ihren Flug nach München vorbereitet. Und ich habe noch so viel vor. Auf einmal verfliegt die Zeit. Der Service im Hostel versagt komplett, denn bis 10 Uhr gibt es kein Frühstück, danach nur nach Aufforderung. Es ist definitiv eines der schlechtesten Hostels auf meiner Reise, und ich bin froh, als ich um 11.30 Uhr zügig auf die Ausfallstraße nach Guatapé komme. Eine 4-spurige, kurvenreiche und gut ausgebaute Straße, die mir einen letzten Blick über die Stadt ermöglicht, führt mich in zum Teil sehr wohlhabende Viertel.
Nachdem mein auserkorenes Hotel Zimmer nur gegen Reservierung anbietet, quartiere ich mich in einem einfachen Hostel (Los Lagos de Guatapé; $70.000) am Ende des Malecón ein. Im Restaurant nebenan wird sogar Deutschland gegen Polen im TV übertragen (Endstand: 0:0). Anschließend fahre ich ohne Gepäck zur nahegelegenen Attraktion, dem Piedra del Peñol (auch Peñón), einem 70 Mio Jahre alten Felsen, den man über 740 Stufen erklimmen kann. Die Aussicht von hier oben ist atemberaubend. Der Eintritt beträgt $15.000 (€ 4,30), wobei ich aufgrund mangelnden Wechselgeldes nur $10.000 bezahlen muss. Der ist es allemal wert.
Wieder zurück schaue ich mir das kleine pittoreske Örtchen mit seinen bunten Häusern an und genieße das Treiben am Parque Guatapé bei einem Glas Rotwein.
Fr 17.6.2016
Bereits um 8.30 Uhr breche ich auf, denn bis nach Montería sind es rund 460km. Die ersten 30km kenne ich ja schon von gestern. Genussvoll fahre ich jede Kurve, dann geht es 4-spurig in Richtung Medellín. Ich komme zügig durch die Stadt. Dann werden meine Pläne abrupt gestoppt. Die Straße am Abzweig El Hatillo ist mal wieder durch die streikenden Farmer gesperrt. Also fahre ich weiter in Richtung Nord-Osten, doch auch der Abzweig in Puente Gavino ist blockiert. Na gut, dann fahre ich eben einfach auf dieser wunderschönen Straße weiter und suche nach einer Alternative. Mein Navi hat inzwischen aufgegeben. Anscheinend war dieses Gebiet hier mal FARC Zone, denn die Karte, die auf OSM (open street map) basiert, ist ein Flickenteppich und keine Landkarte.
Der Weg nach Guadelupe erweist sich als Sackgasse. Daher taken ich sicherheitshalber erstmal, esse etwas und erkundige mich nach einem Weg über Anorí nach Yarumal. Ja, das sei kein Problem. Sehr gut. Doch nach kurzer Zeit wird es unbefestigte Straße. Ich frage das Militär, das sich dort postiert hat. Es sei eine schöne Straße, aber bis nach Yuramil empfiehlt er mir nicht. Also drehe ich wieder um, fahre die 30km zurück zum letzten Abzweig und nehme mein neues Ziel Vegachi in Angriff. Ab Amalfi wird es wieder Schotter – aber sehr gut zu fahren und unheimlich abwechslungsreich. Recht erschöpft erreiche ich gegen 17.30 Uhr wieder die Asphaltstraße nach Remedios. 5km vorher finde ich ein Hotel mit Cabañas in Otú. Für sage und schreibe $40.000 (€12,-) bekomme ich einen Palast. Erst jetzt merke ich, dass ich nach 400km völlig kaputt bin und nicht mehr imstande, auch nur einen Meter zu fahren. Daher nehme ich das Angebot gerne an, dass mir jemand ein Abendessen aus einem Restaurant hierher bringt. Ich setze mich derweil an die Gartenbar, lösche meinen Durst mit einem kühlen Bier und schaue mir das Spiel Kolumbien gegen Peru (0:0; 5:3 n.E.; Verlängerung gibt es beim America’s Cup nicht) an. Eine Gruppe von Apothekern und Pharmavertretern gesellt sich dazu und lädt mich erst auf ein Bier, dann zum Whisky ein.
Sa 18.6.2016
Bei bewölktem Himmel und angenehmen 27°C starte ich in Richtung der 530km entfernten Hafenstadt Cartagena. Doch bereits nach 20km verwerfe ich den Plan, denn erneut wird die Straße steinig und schwierig zu befahren. Nicht einmal Google kennt die Straße. Mein Stoßdämpfer schlägt regelmäßig durch. Und das, obwohl er bereits auf höchste Stufe gestellt ist. Ein Einheimischer versichert mir aber, dass es der richtige – und bessere – Weg sei. Hoffentlich! Auf halber Strecke, wie ich hier erfahre, mache ich in Machuga Halt. Der Bus braucht für die Strecke von Segovia nach Zaragoza etwas mehr als 4 Stunden. Ich sollte es in 3 schaffen. Aufbauend. Hinter jeder Kurve kann es sein, dass ein wildgewordener Bus- oder LKW-Fahrer um die Ecke kommt. Zweimal kann ich gerade noch anhalten und mich im Gebüsch ganz schmal machen. Die Wasserfurten sowie die Schlammdurchfahrten meistere ich inzwischen problemlos.
Aber lustig ist das nicht. Als dann auch noch ein Pferd, an dem ich langsam vorbeifahre nach mir ausschlägt und mich nur um Haaresbreite verfehlt, bin ich froh, nach diesem anstrengenden Offroadpart bei Temperaturen von 35°C endlich wieder Gripp unter den Rädern zu haben. Am Straßenrand fülle ich meine Reifen wieder mit Luft. Sofort hält ein Pannenfahrzeug an und gibt mir die Nummer der Pannenhilfe für diesen Teil des Landes, falls doch etwas sein sollte. Es sind so viele falsche Helfer unterwegs. Nun, ich hoffe einfach, dass ich die Helfer gar nicht brauche. Guter Dinge fahre ich weiter. Es dauert nicht lange, dann passiert es. Eine eigentlich wunderschön zu fahrende Linkskurve hat plötzlich Sand auf der Fahrbahn. Mein Hinterrad rutscht weg, der Hauptständer sprüht Funken, mein Fuß schleift. Dann bekommt das Rad wieder Gripp, stellt sich auf und wie durch ein Wunder kann ich den Sturz verhindern und weiterfahren. Da hat Hugo, mein Maskottchen, gut auf mich aufgepasst. Danke! Nur der Schlag in den Lenker war meinem Tennisarm nicht besonders förderlich. Um 14.30 Uhr mache ich Pause in Planeta Rica, esse zu Mittag, hole Bargeld und tanke. Wenn alles gutgeht, dann schaffe ich die restlichen 285km bis Cartagena doch noch. Och ne, was will die Polizei denn jetzt auf einmal von mir? An einer der vielen Kontrollen zieht mich der Polizist tatsächlich heraus und will nach kurzer Unterhaltung meine Papiere sehen. Er ist sehr freundlich und lässt mich schnell wieder weiter. Bis zur nächsten Kontrolle. Das darf doch nicht wahr sein. Ich klappe meinen Helm hoch und beantworte freundlich alle Fragen. Auch dieser Polizist ist sehr nett und war mehr an meiner Geschichte und dem Motorrad interessiert, als an meinen Papieren. Diese will er gar nicht sehen und wünscht mir eine gute Fahrt. Es ist 18.30 Uhr, als ich im Abendverkehr von Cartagena stecke. Da sich die Einbahnregelungen von Grund auf geändert haben, kann mir mein Navi jetzt nicht wirklich helfen. So lande ich im Hostel Media Luna ($40.000; €12,- ohne Frühstück im Dorm). Es gibt sogar einen kleinen Pool – und entsetzlich laute Musik.
Dafür bin ich mitten im belebten Viertel mit vielen Cafés, Kneipen, Diskotheken und Restaurants. In einem kleinen, ruhigen Restaurant eines Holländers mit indonesischen Wurzeln bleibe ich hängen, genieße die Garnelen und den Wein und unterhalte mich mit Gerard über sein Projekt, das er vor 10 Jahren ins Leben gerufen hat. Eine Schule für bedürftige Kinder hier in Cartagena. Die Überschüsse des Restaurants fließen direkt dorthin.
So 19.6.2016
Um 5 Uhr werde ich durch laute Gespräche im Nachbarzimmer geweckt und kann nur schwer wieder einschlafen. Irgendwann gelingt es mir doch und erst um 10 Uhr wache ich auf. Nach dem frühstück gehe ich auf Stadterkundung.
Die Hitze gepaart mit der extrem hohen Luftfeuchtigkeit macht mir zu schaffen. Ich freue mich über jeden Windhauch. Die Altstadt erinnert mich ein wenig an Havanna, da auch hier schön restaurierte Kolonialhäusern neben einsturzgefährdeten Bauten stehen. Auch die vielen fliegenden Händler, die einem im Sekundentakt etwas verkaufen wollen, erinnern sehr an Kuba. Zum Sonnenuntergang möchte ich zur Festung aus dem 17. Jahr. Der Eintritt beträgt zwar nicht $17,-, wie in Trip-Advisor-Kommentar steht, ist aber mit $25.000 (€7,50) immer noch recht teuer. Leider zeigt sich die Sonne nicht so richtig und auch der Blick über die recht hässliche Stadt überzeugt mich nicht. Die Anlage selbst ist imposant.
Im Anschluss lasse ich mich mit dem Taxi zum Museo del Arte Moderno bringen, das angeblich auch sonntags von 16 – 21 Uhr geöffnet haben soll. Hat es aber nicht! So setze ich mich in ein Restaurant auf den Platz, genieße eine Quiche und betrachte das rege Treiben.
Mo 20.6.2016
Mein heutiges Ziel ist Santa Marta/Taganga. Die Strecke ist unspektakulär. Die Durchfahrt durch Barranquilla ist nervig und bereits hier stinkt es ungemein. Der Gestank wird im weiteren Verlauf noch strenger und ich bin erschüttert, welche Armut ich entlang der Straße sehe. Überall liegt Abfall und die Kinder spielen im total dreckigen Wasser.
Nach etwas mehr als drei Stunden erreiche ich das ApartaHotel Oasis in Taganga. Elisabeth, die Besitzerin aus Schweden, schaut über die Brüstung und ist mir auf Anhieb sympathisch. Sie hat ein schönes Zimmer mit Klimaanlage für mich, einen Parkplatz für Flecha und einen Pool zum Abkühlen. Sehr idyllisch. Hier bleibe ich für die nächsten Tage (ÜF: $100.000; € 28,-).
Am Nachmittag gehe ich zum Dive Center „Under Pressure“ und buche bei Sebastian für Mittwoch einen Ausflug mit 2 Tauchgängen für $130.000 (€ 38,-) – inkl. Kompletter Ausrüstung! Da kann man nicht meckern. Der restliche Ort ist schnell erkundet. Außer Restaurants und Tauchschulen gibt es: nichts! Auf dem Rückweg gabelt mich Arturo, Elisabeths Mann, zufällig mit seinem Auto auf. Zurück im Hotel springe ich ins kühlende Nass. Am Abend kommt noch ein Cousin (von 80!) mit Frau und Tochter zu Besuch, und gemeinsam essen wir zu Abend. Es ist wie in einer Familie und wir unterhalten uns noch lange über Kolumbien und Deutschland, Korruption und natürlich über Autos und Motorräder. Ein wunderschöner Tag geht zu Ende.
Di 21.6.2016
Nachdem mich der Regen am Morgen zunächst geweckt hat, schlafe ich nochmal tief und fest ein. Der Wecker gibt mir Bescheid, dass das Frühstück bereitsteht. Anschließend schaue ich mir das 3. Gruppenspiel der Deutschen im Fernsehen an (1:0 gegen Nordirland) bevor ich mich mal wieder dem Blog widme.
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24. Teil
Mi 22.6.2016
Kurz vor acht bringt mich Arturo nach einem leckeren Frühstück zum Dive Center „Under Pressure“. War schon der erste Eindruck klasse, so wird auch heute ihre Professionalität unterstrichen. Da ein Dive Master Anwärter mit seinem Buddy eigenständig tauchen sollen, habe ich in Mauricio heute meinen persönlichen Guide. Die restlichen 16 im Boot sind Tauchschüler. In 20 Minuten sind wir am ersten Tauchplatz und Mau prüft sehr gewissenhaft meine Ausrüstung. Auch unter Wasser lässt er mich nicht aus den Augen. Das hatte ich bisher selten in dieser Form. Toll! Wir beide genießen einen wunderbaren Tauchgang mit vielen schönen Hart- und Weichkorallen, jeder Menge Fische, die ich zuvor noch nie zu sehen bekam, Langusten, Muränen und ein Electric Ray.
Nach dem ersten Tauchgang machen wir eine knappe Stunde Pause, bekommen einen Snack und etwas zu trinken. Dann geht es zum 2. Tauchgang, der in 5 Meter Tiefe im Sand beginnt. Tatsächlich verstecken sich auch hier in den wenigen Pflanzen verschiedenste Tiere und in einer Kiste mit angemalten Flaschen versteckt sich ein Oktopus. Enorm, wie sich dieser den verschieden Farben, die ihn umgeben, anpassen kann. Ich genieße den Tauchgang so gut es geht. Denn ich merke schon, wie mein Magen sich bemerkbar macht und ich froh bin, als wir dann aus dem Wasser sind und das Boot wieder an Land. Daher buche ich auch noch nicht erneut für morgen, sondern warte erst einmal ab. Arturo holt mich am Center ab, und es gibt zum Mittagessen eine leichte Suppe. Anschließend lege ich mich hin. Es wird immer schlimmer, bis ich mich endlich übergeben kann. Ich trinke etwas Cola, dann schlafe ich ein.
Do 23.6.2016
Es geht mir etwas besser, trinke Tee und esse etwas Obst und Toast. Den restlichen Tag ruhe ich mich aus und genese langsam. Zu gerne wüsste ich, was das war. Am Abend kocht uns Elisabeth Lachs mit Kartoffeln und Salat. Sehr lecker, und mein Appetit ist wieder da! Gemeinsam stoßen wir auf den heute auf Kuba unterzeichneten Vertrag an, der nach 52 Jahre endgültig Frieden für Kolumbien bedeutet.
Fr 24.6.2016
Nach vier Tagen fällt mir der Abschied von dieser Oase schwer. Noch ein Abschiedsfoto, dann fahre ich gegen 10 Uhr in Richtung Minca. Die Fahrt dorthin ist herrlich. Schöne Kurven durch ein Waldgebiet, das für angenehme Temperaturen sorgt. Nur Minca selber bietet nichts. Man muss wohl hier länger bleiben und Ausflüge in die Natur machen. So kehre ich also um, fahre die Strecke, die ich kam zurück und folge dem Navi nach Mompós (auch Mompóz oder Mompóx geschrieben). Erst als ich über Wasser komme, merke ich, dass das Navi einer anderen Strecke folgt, als ich vorhatte. Also fahre ich die 9km zurück und biege auf die N45 ab. Jetzt ist die Entfernung auch 90km kürzer, nämlich nur noch 320km. Die Straße ist schnurgerade, die Landschaft ganz schön, Mehr aber auch nicht. Nachdem ich nach Westen abgebogen bin, wird die Straße irgendwann zur Schotterpiste, die ich mir nach einem Regen gar nicht ausmalen möchte.
Und da das Wetter hier zu häufig und schnell umschlägt, trete ich den Rückzug an und fahre nicht die 70km weiter. Erst später sehe ich auf Google Maps, dass es auch eine andere Strecke gegeben hätte, die wahrscheinlich asphaltiert ist. Jedoch ist es mir dafür inzwischen zu spät. Dieses Mal ist mir iOverlander, eine kostenlose App für Reisende, behilflich und schlägt mir eine Unterkunft in Aguachina vor. So fahre ich die restlichen 120km gemütlich mit 100km/h. Denkste! Weiter vorne winkt mich ein Polizist heraus, während sein Kollege die Radarpistole weiterhin auf mich hält, obwohl ich mit 20km/h anrolle. Seltsam. Er ist freundlich, fragt mich, ob ich Spanisch verstehe – was ich mit „ein bisschen“ beantworte – und will meine Papiere sehen. Diese übergebe ich ihm. Erst als er etwas von „Strafe“ meint, stelle ich mich taub und frage auf Englisch, wie schnell man hier denn fahren darf – ich glaube, es sind 80km/h, weiß es aber nicht genau. Da er wiederum das nicht versteht, gibt ihm sein Kollege ein Zeichen, mich fahren zu lassen. Glück gehabt! Die nächste Radarkontrolle lässt nicht lange auf sich warten. Nur 10km weiter steht erneut die Polizei. Dieses Mal sehe ich sie früher, reduziere etwas die Geschwindigkeit und kann passieren. Ein kurzer, aber kräftiger Schauer macht mich recht nass. Jedoch habe ich keine Sekunde daran gedacht, mir die Kombi überzuziehen, denn eine Abkühlung bei 36°C tut gar nicht schlecht. Sofort sinkt die Temperatur auf 28°C. Nach 540km erreiche ich das Hotel Luz Mery mit eigenem Parkplatz im Hof. Direkt vor dem Zimmer mit Klimaanlage und eigenem Bad kann ich parken. Und das alles für $35.000 (€11,-) Sehr gut. Im gegenüberliegenden Biergarten lasse ich mir eine Picada Mixta (Schlachtplatte) schmecken, die so groß ist, dass ich sie tatsächlich nicht schaffe.
Sa 25.6.2016
Mit aufkommender Wehmut beginne ich die heutige, drittletzte Etappe meiner Reise bei bewölktem Himmel und angenehmen 28°C. Bis San Alberto folge ich der weiterhin geraden Straße, dann – endlich – kommen die heißersehnten Kurven auf der 45A. Es geht hinauf auf 600m. Mit jedem Meter wird es dunkler und bald fallen die ersten Tropfen. Das Schlimmste daran ist, dass die Balken, die ähnlich der Zebrastreifen auf die Fahrbahn gemalt sind, so rutschig werden, dass jedes Mal mein Hinterrad einen kleinen Satz macht. Die Verantwortlichen können sich auf jeden Fall sicher sein, dass die vielen Mopeds hier definitiv langsam fahren. In El Playón mache ich bei einer Panadería Halt und trinke einen Kaffee zur Plundertasche. Wie gut diese Entscheidung war, zeigt sich kurz darauf bei der Stadtdurchfahrt Bucaramangas.
Im Stop and Go eine Stunde bei 35°C eine echte Herausforderung. Da tun die vielen anerkennenden Blicke und kurzen Gespräche an den Ampeln richtig gut und sorgen für etwas Kurzweil. Endlich bin ich draußen und … Kurven, Kurven, Kurven. Dazu zeigt sich noch die Sonne. Leider bin ich erneut zu spät, sodass mir keine Zeit bleibt, mir den Nationalpark Chicamocha anzusehen. Es bleiben also genügend Sehenswürdigkeiten übrig, die ich beim nächsten Mal ansehen werde. In San Gil geht es auf groben Steinen in Richtung Barichara. Am Ortsende ist die Straße bestens präpariert und herrlich zum Fahren. Nur tröpfelt es schon wieder. Vor Dunkelheit erreiche ich den Ort und gönne mir ein Zimmer im schönen Hotel Casa Oniri, in dem ich für zwei Nächte einchecke. Einer herrlichen einstündigen Massage folgt ein leckeres Abendessen in einem Restaurant am oberen Ende des Dorfes, in dem ich mir das Speil um Platz 3 zwischen Kolumbien und USA anschaue (1:0).
So 26.6.2016
Nach einem guten und ausgiebigen Frühstück schaue ich mir als einzige Gast Deutschland gegen Slowakei an (3:0). Entgegen 90% Regenwahrscheinlichkeit strahlt die Sonne vom Himmel, als ich mich auf den Weg durch den wunderschönen Ort mache.
Die kleinen Straßen und Plätze, die Kirchen und der Parque para las Artes gefallen mir richtig gut. Dann gehe ich zum Wanderweg nach Guane, der speziell zu Beginn recht steil ist, und wegen seiner groben Steine einiges an Konzentration verlangt. Ein malerischer Weg, auf dem mir in den zwei Stunden gerade mal drei Personen begegnen. Gegen halb vier erreiche ich den verschlafenen Ort Guane, der außer einem Platz mit Kirche und einem Museum, das für seine archäologischen Funde aus der Gegend berühmt ist, nicht viel zu bieten hat. In einer kleine Laube esse ich etwas, bevor ich um 17.15 Uhr mit dem Bus wieder zurück fahre. Vom Balkon eines Restaurants am Hauptplatz genieße ich das Treiben und den Sonnenuntergang bei einem Glas Wein.
Mo 27.6.2016
Da die heutige Etappe nur rund 210km haben wird, frühstücke ich nochmal ausgiebig, telefoniere mit der Heimat und begebe mich bei herrlichem Sonnenschein gegen viertel vor elf auf die vorletzte Etappe. Zunächst zurück nach San Gil sagt mir Google Maps nach rechts, während mein Navi und mein Blick auf die Karte nach links Richtung Charalá meinen. Kurze Zeit später erreicht Flecha die 50.000km Marke und ich die erste Baustelle, die mich ausbremst. Meine Geduld wird auf die Probe gestellt, denn es heißt bei über 30°C nun 20 Minuten warten. Über immer wieder unbefestigten Untergrund geht es weiter… zur nächsten Baustelle. Ist das nervig! Beim dritten Stopp frage ich die beiden auf dem Roller neben mir, ob das so weiter geht bis Duitama. Sie schauen mich entgeistert an. Zwar ist dies wohl die letzte Baustelle, jedoch sei der Weg dorthin mit meinem Motorrad eine Herausforderung.
Wir dürfen fahren, wobei ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Egal, denn es folgt endlich wieder eine schöne Straße in recht gutem Zustand. Erneut vergewissere ich mich in Charalá, ob ich auf dieser Straße bis nach Duitama komme, was mir bestätigt wird. Es lässt nicht lange auf sich warten, da wird die einst schöne Straße nun eine herausfordernde Schotterpiste – für die nächsten 50 Kilometer, wenn ich meinem Navi trauen kann. Jetzt verstehe ich auch die Beiden auf dem Roller. Aber umdrehen geht nicht und das Wetter und die Landschaft passen. Zuhause gebe ich für solche Verhältnisse ein Heiden Geld aus. Hier bekomme ich es gratis! Plötzlich tauchen Schilder einer bevorstehenden Baustelle auf. Die Geschwindigkeit wird auf 30km/h reduziert – als ob ich unter diesen Umständen schneller fahren würde. Kurz keimt die Hoffnung auf, dass vielleicht doch Asphaltarbeiten meine Reisezeit etwas verkürzen. In der nächsten Kurve kommt die Ernüchterung, denn es wird nur die Brücke erneuert. Allerding gibt es keine alte, die ich benutzen kann. Stattdessen erreiche ich die größte Wasserfurt meiner Reise.

way to Duitama
Es geht recht steil bergab, und der Strom hat eine ordentliche Geschwindigkeit. Die Gewissheit, dass auf der anderen Seite zwei Bauarbeiter zur Not helfen können, beflügelt mich, ohne weitere Prüfung das Risiko auf mich zu nehmen und viel zu schnell hindurch zu fahren. Es spritzt weit über mich hinüber und tatsächlich schaffe ich es ohne Sturz hindurch. Richtig stolz fahre ich weiter. Das Tal ist beeindruckend. Als ich nun an den vom Navi vorgeschlagenen Abzweig komme, der in der Tat den kürzesten Weg nach Villa de Leyva angibt, entscheide ich mich dann doch für „nur“ noch 50km weiteres Steine zählen. Inzwischen auf 2.600m Höhe angelangt, bereue ich keine Sekunde, diesen Weg genommen zu haben, denn die Aussicht ist einmalig. Ich komme an einem Dorf vorbei, das ausschließlich aus Holzhäusern besteht.
Leider fehlt mir ein wenig die Zeit, mir dieses Dorf genauer anzusehen, denn übernachten will ich hier oben dann doch nicht. Es geht wieder bergab, und wie aus dem Nichts erscheint 19km vor Duitama eine perfekte Teerstraße mit einmaligen Kurven und sogar Markierungen. Dieser Spaß hält jedoch genau 5km an, dann folgt wieder Schotter. Nach 7 Stunden und 120km erreiche ich gegen 17.30 Uhr endlich den Ort. An einer Tankstelle fülle ich Luft auf, jedoch ohne Anzeige des Luftdrucks. Nur gut, dass ich eine eingebaute Anzeige habe. Auf der 4-spurigen Landstraße kann ich meine verspannten Muskeln etwas entlasten. Kurz vor Tunja geht es rechts weg nach Arcabuco. Gespenstische Abendstimmung macht sich breit. Es wird dunkel und Nebel kommt auf. Aber es bleibt ausnahmsweise trocken. Nach dem Abzweig nach Villa de Leyva holt mich nach kurzen Kurventanz dann doch nochmal der Schotter ein. Und auf der Suche nach einer Bleibe werde ich entweder enttäuscht, weil kein Zimmer mehr frei ist, oder weil es nichts zu essen gibt. Frustrierend! Völlig kaputt erreiche ich Villa de Leyva und nehme mir ein Zimmer im zugegeben schicken, aber auch teuren Hotel Maria Bonita, wo man mir gleich nochmal $10.000 abknöpft, weil ich mit Kreditkarte bezahle. Ich bin zu müde, um zum Automaten zu gehen. Jetzt bekomme ich eine himmlisch heiße „Wasserfall“-Dusche. Richtig sauer – ich fühle mich verarscht – werde ich, als ich für die Pizza, die in der Karte für $22.000 steht, plötzlich $35.000 bezahlen soll, da der eigentliche Lieferant nicht mehr offen hat. Ich protestiere in meinem besten Spanisch – zur Not lasse ich sie zurückgehen – und bekomme sie für den ursprünglichen Preis. Geht doch! Mit etwas im Bauch geht es mir gleich viel besser. Und Flecha steht alleine in der riesigen Garage. Gute Nacht!
Di 28.6.2016
Um etwas vom Tag zu haben, stehe ich pünktlich um acht Uhr beim Frühstück. Der wirklich nette Ort mit dem riesigen Plaza Major ist schnell besichtigt.
Dann bekommt Flecha mal wieder etwas Öl, da sie wirklich nötig hatte. Zum Casa Terracota ist es nicht weit, jedoch macht der Parkwächter keinerlei Anstalten, mir die Schranke zu öffnen. Ich stelle das Motorrad ab, mache das obligatorische Foto, als der Kerl zu mir kommt und extrem unhöflich meint: „$7.000 Pesos!“. Auf so eine Art vergeht mir die Lust, mir das Haus genauer anzusehen und fahre weiter. Ob mich der Regen heute erneut verschont? Es schaut ziemlich finster in Richtung Bogotá aus. Aber mehr als ein paar Tropfen werden es glücklicherweise nicht. Ansonsten ist die Fahrt recht langweilig – viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Och ne! Jetzt spinnt meine Tankanzeige erneut und bleibt exakt bei den 53km Reichweite stehen, die mein Navi mir noch als Entfernung anzeigt. Das ist mir dann doch zu gewagt und ich fülle nochmal 4,8 Liter nach, ohne jetzt genau zu wissen, wieviel Benzin im Tank sein werden, wenn es in den Flieger geht. Kurze Zeit drauf sehe ich einen Waschplatz, bei dem ich Flecha eine Grundreinigung für $10.000 gönne. Sonst wäre sie wohl nicht mitgenommen worden. Die letzten Kilometer verlaufen durch die Nobelorte Bogotás. Häuser für mehrere Millionen Dollar und Nobelkarossen wohin man sieht. Oben am Berg angekommen wechselt das Bild schlagartig. Es folgen eine Stunde dichter Stadtverkehr bis ich im Hostel ankomme, das mir Alex empfohlen hatte. Leider gibt es hier kein Zimmer mehr. Aber nur 50m weiter werde ich im Hostel Alegria`s fündig und bekomme ein schönes Zimmer für die restlichen fünf Nächte. Und ich kann Flecha für die letzte Nacht tatsächlich im Innenhof parken – direkt vor meinem Zimmer. Besser hätte es gar nicht laufen können. Danke! Nach einem leckeren Steak sortiere ich meine Sachen und packe entsprechend um. Den Abend verbringe ich mit Margaret (USA) und Daniel (D) bis nachts um 1.30 Uhr im Innenhof des Hostels.
Mi 29.6.2016
Pünktlich um 8.30 Uhr bin ich bei Lyncargo. Es dauert über eine Stunde, bis alle Papiere ordnungsgemäß ausgefüllt und vervielfältigt sind. Dann warte ich bis 10.15 Uhr auf Libardo, der mich mit seinem Motorrad zur Halle führt, in der Flecha verpackt werden soll. Ich beginne damit, die das Windschild und die beiden Spiegel abzumontieren. Dann heißt es wieder warten, bis die Palette gebracht wird, auf der schlussendlich der Transport geschieht. Nach einer Stunde ist diese dann endlich da, und wir einen Schritt weiter. Jetzt müssen wir noch warten, bis das Holzgestell gefertigt ist, in das die Narbe des Vorderrades eingesteckt werden kann. Erst dann kann ich das Vorderrad ausbauen. Nochmals vergeht eine Ewigkeit.
Dann kann ich endlich die Jungs alleine lassen und mich um 13.30 Uhr auf den Rückweg mit dem Bus machen. Dieser, hier Transmilenio genannt, ist extrem lang und flott, da er seine eigene Spur hat. In der aufkommenden Sonne genieße ich mein Mittagessen und treffe später, nach einer kurzen Siesta, nochmal Margaret und Daniel im Hostel.
Do 30.6.2016
Bereits gestern hatte man mir offenbart, dass es mit einem Tag nicht getan ist, denn ich muss am Flughafen persönlich die Ausfuhr unterschreiben. Daher finde och mich erneut im Büro ein, allerdings mit einem Frühstück im Bauch erst um 10.30 Uhr. Auf Libardos Motorrad fahren wir zum Cargo-Bereich des Flughafens und müssen erst einmal über eine Stunde warten, bis Flecha in ihrer Kiste angeliefert wird. Aber auch jetzt wird meine Geduld weiterhin auf die Probe gestellt. Bis alle Dokumente fertig sind und ich meine Unterschrift und das begehrte Papier setzen darf, vergehen weitere vier (!) Stunden. Endlich können wir gehen. Dachte ich! Von wegen, denn wir müssen nochmal zurück zur Spedition, denn die Drogenpolizei hat die komplette Kiste wieder auseinander genommen, samt der Seitenkoffer, dem Tankrucksack und des Vorderrades. Sogar die Batterie muss ich nochmal anschließen, um den Motor zu starten.
Der Beamte riecht am Auspuff, ob da nichts Auffälliges rauskommt. Dann noch einen Blick mit der Taschenlampe in den Tank. Dann ist alles vorbei. Es ist 18 Uhr, bis wieder alles verpackt ist. Völlig ermattet vom Nichtstun nehme ich den Bus zum Hostel. Was für ein nerviger Tag!
Fr 1.7.2016
Inzwischen bin ich es gewohnt, dass es hier immer wieder regnet, dann die Sonne herauskommt und im nächsten Augenblick Regen und Sonne gleichzeitig auftreten. Dazu ist es relativ kühl. Mit Schirm und Regenjacke bewaffnet laufe ich durch die Altstadt zum Goldmuseum mit seinen 55.000 Exponaten, wovon rund 35.000 aus Gold sind. Der Eintritt inklusive 90 Minuten Führung kosten schlappe $3.000 (€1,-). Wirklich sehenswert.
Das kann man von dem Wetter nicht behaupten und ich laufe zurück zum Hostel. Am Abend treffe ich Hugo, Jenny und Valentina, die ich in Taganga kennen gelernt hatte. Ich bekomme eine tolle Stadtrundfahrt samt Blick über die Stadt vom Mirador de la Paloma Vía La Calera mit seinen vielen Lichtern.

Hugo, Jenny, Valentina by night
Anschließend gehen wir in einem typisch kolumbianischen Restaurant essen. Und auch auf der Rückfahrt zeigt mir Hugo viele versteckte Winkel und Sehenswürdigkeiten der Stadt. Um kurz vor zwölf bin ich zurück im Hostel und falle müde ins Bett.
Sa 2.7.2016
Um 10 Uhr startet die Free-Walking-Tour am Museo del Oro. Fili, unser unheimlich sympathischer und sehr guter Guide, gibt uns in drei Stunden viele interessante Einblicke in die Geschichte der Stadt und des Landes. In einem Café verköstigt man uns mit der kolumbianischen Chicha, die sich durchaus von der peruanischen und ecuadorianischen unterscheidet, und mir nicht sonderlich schmeckt.
Natürlich schaue ich mir den Krimi des EM-Spiels Deutschland gegen Italien (1:1; 6:5 n.E.) in einem netten Café an. Im Anschluss laufe ich die „Septima“ (Carrera 7), hinauf bis zur Calle 26. Bis dorthin ist die Straße eine Fußgängerzone mit vielen Künstlern. Am Ende steht der Torre Colpatria, Bogotás bis jetzt höchstes bewohntes Gebäude. Für $5.500 kann man bis in den 46. Stock hinauffahren. Die letzten zwei Stockwerke muss man zu Fuß gehen. Dann eröffnet sich ein toller Blick über diese 8,8 Millionen-Metropole, die einem unendlich erscheint, denn egal in welche Richtung man schaut, es gibt überall nur Häuser.
Völlig erschöpft bin ich gegen 19 Uhr zurück im Hostel und verbrauche meine restlichen Vorräte.
So 3.7.2016
Wie kann es auch anders sein: es regnet und ist kühl. So macht mich der eigentlich geplante Ausflug zum Viertel Usaquén gar nicht an. Und auch eine Fahrt hoch zum Monserrate ist bei diesem Wetter irgendwie sinnlos. Und so gehe ich nochmal in die Museen, die wir gestern nur kurz gestreift hatten. Das Botéro Museum, das Casa de la Moneda und das Kunstmuseum sind in einem Gebäudekomplex und zudem sogar kostenlos zu besuchen. Um 14 Uhr schaue ich mir in der gegenüber dem Hostel liegenden französischen Pastelería das Spiel Frankreich gegen Island an (5:2), bevor ich mit dem Taxi zum Flughafen fahre und meine letzten $30.000 Pesos ausgebe. Was für eine Reise!